Vom Schwarzwald zur Nordsee – Unser 300NM-Flug

Vom Schwarzwald zur Nordsee – Unser 300NM-Flug

Wer kann schon von sich behaupten, mal kurz für einen Nachmittag aus dem Süden Deutschlands auf eine der schönsten Inseln der Nordsee zu fliegen, um dort ein frisches Krabben-Sandwich und ein bisschen Strand zu genießen? Der 300NM-Flug als Teil der ATPL-Ausbildung macht´s möglich! Ein absolutes Highlight der fliegerischen Ausbildung.

 

Juni 2021, Flugplanung

Wir hatten von einigen Flugschülern aus Kursen vor uns gehört, die bereits einen solchen Flug durchgeführt hatten und bei ihnen mal nachgefragt, wie das für sie so war. Auch sie haben von einem absoluten Highlight berichtet und so war für uns klar – wir fliegen nach Sylt!

Nun beginnt ein solcher Flug aber lange vor der tatsächlichen Off-Block-Zeit. Zunächst haben wir uns eine Route überlegt. Der Ausbildungsplan sieht vor, dass während eines solchen Fluges insgesamt 3 Landungen durchgeführt werden müssen. Außerdem muss das Flugzeug auf dieser Strecke zwischendurch auch mal betankt werden, um die sichere Flugzeit immer so zu erhalten, dass ein Ausweichen auf einen Ausweichflugplatz und eine sichere Landung dort zu jeder Zeit möglich ist. Für alle Flugplätze auf der Route gilt es neben der Verfügbarkeit von AVGAS (so nennt sich der Treibstoff für unsere kolbengetriebenen Propellermaschinen) auch die sogenannten NOTAMS zu prüfen. In den NOTAMs werden wichtigen Informationen wie bspw. geänderte Öffnungszeiten, gesperrte Rollwege etc. für jeden Flugplatz veröffentlicht. Für den Flughafen Sylt war dies wirklich wichtig, denn dort war unter der Woche auf Grund der geringen An- und Abflüge durch die Corona-Pandemie nur bis 14Uhr Ortszeit offen. Eine spätere Landung hätte uns also einiges an Geld gekostet. Nach der Planung stand dann unsere Route fest: Freiburg – Kassel – Wilhelmshaven – Sylt. Und am Tag danach wieder zurück. Da wir zwei Piloten in Ausbildung waren, konnte wir den Flug in Hin- und Rückflug aufteilen. Die Distanz der einfachen Strecke waren am Ende so ca. 450NM, also ausreichend.

Neben der Route galt es nun einen Termin zu finden. Dabei muss besonders auf eine stabile Wetterlage geachtet werden. Deshalb ist eine solche Terminfindung oft relativ spontan, da erst einige Tage vor dem potenziellen Abflug das Wetter wirklich belastbar eingeschätzt werden kann. Auch die Planung der Unterkunft blieb also bis zum letzten Tag vor Abflug offen.

Am Ende ging dann doch alles recht schnell…

Ein Dienstagmorgen im Juni, 07:15Uhr, Flugplatz Freiburg

Die Sonne war längst aufgegangen und das Wetter war wie vorhergesagt perfekt, um unsere Reise zu beginnen. Zusammen mit dem ersten Mitarbeiter der FFH-Technik passierte ich das Tor zum Flugplatz Freiburg, wir öffneten die Tore des Hangars und zogen das Flugzeug zur Tankstelle.

Auch Olivia kam kurz nach mit dazu und druckte noch die letzten notwendigen Dokumente (Wetterberichte, Navigations-Log zur Route etc.) aus. Nachdem der Flieger betankt, alle Koffer verladen und alles notwendige an Bord war, ging es los.

Take-Off, 08:15Uhr, Flugplatz Freiburg

 

Olivia und ich sind schon oft zusammen geflogen und daher ein eingespieltes Team. Ein wichtiges und auch sicherheitsrelevantes Thema in der Fliegerei ist die Zusammenarbeit im Cockpit. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass der Pilot-Flying (wie der Name schon sagt) das Flugzeug steuert und der Pilot-Monitoring (an diesem Dienstag war dies mein Job) den Funk übernimmt und mit sogenannten Callouts den Pilot-Flying unterstützt und überwacht. So werden bspw. beim Startlauf auf der Piste von mir diverse Geschwindigkeiten laut ausgesprochen, damit Olivia genau weiß, wann sie am Steuerhorn ziehen darf und damit den Flieger sicher in die Luft bringen kann.

Nachdem der Workload nach dem Start im Cockpit etwas abgenommen hatte, gab es erstmal Brezeln zum Frühstück, da der Tag ja doch recht früh startete.

Die Sonne schien, die Luft war sehr ruhig und wieder einmal wurde einem klar, dass dieses Fliegerleben schon etwas ganz Besonderes ist. Dieser Gedanke kam uns nicht zum letzten Mal an diesem Tag.

Vor Frankfurt, 09:15Uhr

Es gibt viele Dinge, die bei der Routenplanung eines solchen Fluges berücksichtigt werden müssen. Zwei Dinge waren für diesen speziellen Flug besonders relevant. Zum einen gibt es an der Nordseeküste einige sogenannte Restricted-Areas, durch die meist zeitlich begrenzt in bestimmten Höhen nicht geflogen werden darf. Zum anderen führte uns die Route an zwei großen internationalen Flughäfen vorbei. Frankfurt und später Bremen.

Um diese Flughäfen herum hat die Deutsche Flugsicherung spezielle Lufträume eingerichtet und publiziert, durch die auf Grund des an- und abfliegenden Airlineverkehrs keine unkontrollierten Flugzeuge (wie wir es zu diesem Zeitpunkt waren) fliegen dürfen. Durch den Hinweis eines befreundeten Piloten haben wir uns aber entschieden, den Fluginformationsdienst, bei dem wir uns bereits nach dem Start gemeldet haben und der uns mit Verkehrsinformationen versorgt hat, zu fragen, ob ein Durchflug durch einen dieser Lufträume ggf. möglich wäre. Kurze Zeit später waren wir im kontrollierten Luftraum unterwegs und auf der Frequenz des Abfluglotsen für Frankfurt, der uns einen direkten Weg richtung Kassel durch den Frankfurter Luftraum genehmigte. Wieder einmal haben wir gelernt: Die Lotsen, egal in welcher Funktion, sind die besten Freunde der Piloten in der Luft. Wenn man sich hier an alle Spielregeln hält, dann wird einem in jeder Situation geholfen und eine solche Zusammenarbeit macht dann wirklich Spaß.

Nach kurzem Tankstopp in Kassel, 11:25Uhr

 

Nach kurzem Zwischenstopp in Kassel und dem Auffüllen der beiden Tanks ging es weiter Richtung Küste.

Inzwischen hatten sich ein paar leichte Quellwolken gebildet, mit denen wir aber auf Grund der Wetterplanung gerechnet hatten und die zu keinem Zeitpunkt ein Problem darstellten. Ganz im Gegenteil. Wolkenbilder aus dem Cockpit zu erleben ist ein weiteres Privileg von uns Piloten.

Für die Sicherheit und Legalität des Fluges war für uns an dieser Stelle nur wichtig, dass wir zu keinem Zeitpunkt den visuellen Kontakt zum Boden verlieren und in keine Wolke direkt einfliegen, sodass wir keine Sicht aus dem Cockpit mehr haben. Das war in dieser leichten Bewölkung überhaupt kein Problem.

Die Küste, 12:15Uhr

 


Und plötzlich war sie da, die Küste (hier in Form des Wattenmeers). Nach ziemlich genau 4 Stunden waren wir an der Nordseeküste.

Der letzte Stopp vor Sylt war Wilhelmshaven. Ein kleiner Flugplatz direkt an der Küste des Festlandes mit einem sehr sehr netten Flugleiter. Nach kurzem Stopp ging es dann auch schon wieder weiter in Richtung der friesischen Inseln in der Nordsee.

Hier waren nun einige der oben erwähnten Restricted-Areas, die auf der Karte publiziert sind. Auch hier war für uns wieder wichtig, dass wir unsere Intention den Lotsen melden und bei ihnen auch nach dem Status dieser Areas fragen. Wie bereits erwähnt sind die nämlich nicht immer aktiv.

Auch an diesem Tag hatten wir Glück und konnten auf Grund der Inaktivität zweier solcher Areas direkt an der Küste entlang Richtung Sylt fliegen.

Und hier begann nun der wirklich atemberaubende Teil der Reise…

…wir waren noch nie auf den Bahamas, aber das hier kann nicht weit davon entfernt sein.

Sylt, 13:30Uhr

Pünktlich um 13:30Uhr landeten wir auf Sylt und haben den Flieger nach dem Tanken für die Übernachtung am dortigen Flughafen vorbereitet.

 

 

Pünktlich um 13:30Uhr landeten wir auf Sylt und haben den Flieger für die Übernachtung am dortigen Flughafen vorbereitet.

Und den Nachmittag verbrachten wir am Strand…

Der Rückflug am nächsten Tag

Am nächsten Tag machten wir uns wieder auf den Weg zurück und kamen beflügelt am späten Nachmittag in Freiburg an.

Final Approach in Freiburg

 

Am Schreibtisch, der Tag nach der Rückkehr, 10:15Uhr

Während der Reise und beim Schreiben dieser Zeilen hier wurde mir mal wieder richtig bewusst, wie unfassbar einzigartig, schön und unvergleichbar die Fliegerei ist und welches Privileg jeder Pilot da draußen hat. Die Möglichkeit zu haben, so etwas in Zukunft beruflich zu tun, lässt einen wirklich ein bisschen demütig werden und man sollte sich immer wieder bewusst machen, dass das auf keinen Fall selbstverständlich ist, sondern wirklich etwas Besonderes. Jeder Moment des Lernens und der Vorbereitung auf Prüfungen etc. zahlt sich in solchen Momenten wieder aus.

 

Vielen vielen Dank der Flugschule FFH, die uns diese Reise ermöglicht hat und uns immer in jeglicher Form unterstützt. Wir werden diesen Trip sicher nicht so schnell vergessen!

 

Kevin mit Olivia